Samstag, 29. April 2006
Literatur. Nikolaj Gneditsch
1784: Nikolaj Gneditsch geboren (gest. 1833). Gneditsch war einer der bedeutenden Vertreter des russischen Klassizismus. Er übersetzte Schiller, Voltaire, Shakespeare und die Ilias (1829).

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Literatur. Ivan Krylov
1769. Ivan Krylov in Moskau geboren. Er ist der bekannteste russische Autor von Fabeln.
Mit 10 Jahren verdingte er sich als Schreiber im regionalen Gericht.

Umzug nach St. Petersburg. Krylov nimmt seine literarische Tätigkeit auf.
1786-1788: Tragödien ‚Kleopatra’ und ‚Filomela’, die Komödien ‚Bešenaia semja’ (Eine verrückte Familie) und ‚Prokazniki’ (Die Strolche).
Ab 1789: Herausgabe der satirischen Zeitschrift „Geisterpost“, die in der Tradition der russischen Satire-Journalistik stand. Die Artikel waren oftmals radikal, weshalb die Zeitschrift nur acht Monate erschien.
1792: Gründung der neuen satirischen Zeitschrift „Der Zuschauer“.
Krylovs Roman ‚Kaiba’ führt allegorisch Willkür und scheinbaren Liberalismus eines autokratischen Regimes vor.
1797: Krylov kam unter Polizeiaufsicht, die Herausgabe der Zeitschrift wurde verboten.
1801: Komödie ‚Pirog’ (Der Kuchen). Erfolgreiche Aufführung in St. Petersburg und Moskau.
1806: Rückkehr nach St. Petersburg.
1807: Komödien ‚Modnaia lavka’ (Der Modeladen, 1806), ‚Urok dočkam’ (Eine Lektion für die Töchter).
1809: Erster Sammelband der Krylovschen Fabeln.

Die Fabel war für Krylov die Gattung, die seine Fähigkeiten und kritischen Intentionen am besten entgegen kam.
Krylovs bekannteste Fabel ist ‚Vorona i lisica’ (Die Krähe und der Fuchs).
1812: Bibliothekar der Öffentlichen Bibliothek (bis 1842).
21. November 1844: Tod in St. Petersburg.

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Literatur. 1745 Denis Iwanowitsch Fonwisin geboren (gest. 1792)
14.4.1745: Denis Iwanowitsch Fonwisin geboren (gest. 1. Dezember/ 12. Dezember 1792 in St. Petersburg). Russischer Satiriker, Komödiendichter. Beschäftigt im Staatsdienst.

1769: Komödie „Der Brigadier“. Kritik an der mangelhaften Bildung und Unmoral der Beamtenschaft und des niederen Adels. Auch nimmt er die „Gallomanie“ der jungen Generation auf’s Korn.
1782: Komödie „Der Landjunker“. Sie richtet sich gegen den ungebildeten, unzivilisierten Landadel. Das Stück löste bei der Aufführung große Begeisterung aus. Es war das erste russische Schauspiel mit einer progressiven politischen Tendenz. Fonwisin wurde nach einer gegen Katharina der Großen gerichteten Polemik jede literarische Tätigkeit verboten.
Fonwisin trug entschieden zur Gestaltung der russischen Literatursprache bei. Er war einer der Vordenker und führenden literarischen Repräsentanten der russischen Aufklärung.

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Literatur. Nikoláj Ivánovič Novikóv (1744-1818)
Nikoláj Ivánovič Novikóv geboren (gest. 1818)



Katharinas Regierungsstil war zumindest kurz nach ihrem Regierungsantritt noch von der Aufklärung geprägt.
Die Zarin hing den Zielen der „Universalkirche der Aufklärung“ an. Sie versuchte es, auch als Autorin in den 1770er Jahren, Trägheit und Aberglauben im eigenen Lande aufzuzeigen und konservativen Gegnern ihrer aufgeklärten Politik entgegenzutreten.
Die Zarin ließ 1769 die satirische Zeitschrift Vsjakaja vsjacina (Allerlei) als ihr persönliches Sprachrohr herausgeben. Sie wollte damit ein kritisches Organ etablieren, um Bildung und Gesittung im Lande zu befördern und auf die öffentliche Meinung einzuwirken.
Damit bewirkte sie eine liberal-demokratische Strömung unter den russischen Adeligen. Unter deren bedeutendsten Vertretern waren Nikolaj I. Novikov und Alexander N. Radiscev. Sie freilich wurden für ihre aufklärerische Aktivitäten in den 1790-er Jahren schließ als gefährliche „Umstürzler“ interniert. Novikov wurde zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. Nach Katharinas Tod wurde Novikov unter Paul I. 1796 frei gelassen.
Katharinas Abkehr von den Idealen der Aufklärung hat viel mit der Revolution 1789 in Paris zu tun.
Katharina hatte den Pugačev-Aufstand (1775) niedergeschlagen. Mit der Zalovannaja gramota (Gnadenurkunde von 1785) über die Bestätigung und Ausweitung der Adelsrechte konnte sie ihre autokratische Herrschaft weiter absichern. Die revolutionären Ereignisse in Frankreich ließen sie ihren liberal-aufklärerischen Kurs aufgeben. Dies betrifft auch das Feld der Literatur und der literarischen Öffentlichkeit. Der Pugacev-Aufstand setzte der von Katharina selbst initiierten Welle satirischer Zeitschriften fürs erste ein Ende. Rußland vollzog im Verbund mit Preußen und Österreich seine Politik der territorialen Expansion (Teilungen Polens) und der Sicherung des ancien régime.
Nikolaj Novikov hat mit den Zeitschriften Truten’ (Die Drohne, 1769/70), Zivopisec (Der Maler, 1772/73) und Košel’ ók (Der Geldbeutel, 1774) zum politisch-gesellschaftlichen Diskurs der Zeit mit kritischer Schärfe erheblich beigetragen, wobei ihm sein Wissen als Protokollsekretär bei der Ständeversammlung, die eine neue Verfassung vorbereiten sollte, bedeutsam war. Freilich blieb, aufgrund der recht geringen Auflagen der Zeitschriften, deren Wirkung auf den engen Kreis der Gebildeten in Petersburg beschränkt.
Zwischen 1779 bis 1789 veröffentlichte Novikov als Pächter der Moskauer Universitätsdruckerei 817 Titel.
Darunter waren 340 belletristische Werke, desweiteren Lehrbücher, Wissenskompendien, religiöse und freimaurerische Erbauungsschriften. Damit bestritt er rund zwei Drittel der verlegerischen Gesamtproduktion im damaligen Rußland. Die Freimaurerlogen verschiedener Systeme, die sich in Rußland seit den 30er Jahren, besonders in den 70er und 80er Jahren ausbreiteten, haben die russische Literatur nachhaltig beeinflußt. Sie gründeten und förderten z.B. literarische Gesellschaften, in denen Studenten und Schüler zu literarischen Übungen wie zur moralischen Vervollkommnung angehalten wurden. Eine dieser Gesellschaften war das „Sobranie universitetskich pitomčev“ (Vereinigung der Universitätszöglinge) in Moskau, das Johann Georg Schwarz, ein enger Freund Novikovs, und der nach Moskau verschlagene Jakob Michael Reinhold Lenz 1781 gegründet hatten.
1772: Nikolaj Novikovs „Versuch eines historischen Lexikons über die russländischen Schriftsteller“ erscheint. Darin werden über 315 Schriftsteller verzeichnet. Das Buch richtet sich ausdrücklich an die neu entstehende Schicht gebildeter Leser in Rußland.

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Literatur. Gawriil Dershawin
1743: Gawriil Dershawin geboren (3./14.7., gest. 1816).



Gavrila Dershawin bildet den Höhepunkt der russischen Lyrik des 18. Jahrhunderts.
Er ist v.a. durch seine Odendichtung hervor getreten. Beeinflußt wurde er sowohl von den Lehren Lomonosovs wie von denen Sumarokovs. Dies betrifft v.a. die Ode, die mit Dershawin neue Funktionen erhielt. Neben den Oden hat er Gelegenheitsgedichte, Liebesgedichte, Scherzgedichte verfaßt.

Eine frühe Arbeit war die Übersetzung von vier Oden Friedrichs des Großen (1776). Noch in seinen späten Jahren (1804) schrieb er anakreontische Lieder (Anakreontičeskie pesni, 1804).
In seiner Ode Felica (1783) wird Katharina II. in einer exotischen Verkleidung als Herrscherin der Kirgis-Kajsakischen Horde besungen. Es handelt sich dabei um eine Ode, die die Tugenden der weisen und bescheidenen Herrscherin besingt. Felica gehört zu den Derzavinschen Gedichten (Blagodarnost’ Felice [Dankbarkeit gegen Felica], 1783; Izobrazenie Felicy [Darstellung der Felica], 1789), in denen Katharina als ideale, aufgeklärte Herrscherin gefeiert wurde. Ihr gegenüber die Schar von Würdenträgern, die kirgisischen Murzy, die sich der Eitelkeit und weltlichen Genüssen ergeben. Der Name Felica (lat. felix, felicitas) stammt aus dem didaktischen Märchen vom Zarewitsch Chlor (Skazka o careviče Chlore, 1781). Katharina hatte es für ihren Enkel Alexander verfaßt. Die Kaiserin empfing Derzavin und schenkte ihm eine goldene Tabakdose sowie 500 Dukaten. Damit begann seine Karriere. Sie brachte ihm den Gouverneursposten in Olonec und Tambov ein.
Von 1791 bis 1793 war er Kabinettssekretär Katharinas.
1802 machte ihn Alexander I. zum Justizminister, dieses Amt hatte er bis 1803 inne.

Felica vermittelt den Glanz der Katharinensischen Zeit. Die Ode entfaltet jenen Prunkstil, wie er für die Barockdichtung typisch war. Es wird berichtet, wie bei den Festessen die Tische von Silber und Gold glänzen und sich unter Tausenden von Speisen biegen. Die Würdenträger fahren in der prächtigen, mehrspännigen, goldenen englischen Kutsche umher, sie vergnügen sich mit einem Hund oder einem Hofnarren, einem Freund oder einer schönen Dame unter Schaukeln oder jagen, wenn es ihnen langweilig wird, auf geschwindem Renner dahin, die Mütze keck auf dem Ohr ....

Durchaus kritisch stellt sich Dershawin gegenüber den Würdenträgern (etwa dem Fürsten Potemkin in Vel’moza (Der Würdenträger, 1794). Seinem Tod freilich widmet er die Ode Vodopad (Der Wasserfall, 1791-1794). Darin kontrastiert Dershawin den Glanz eines Wasserfalls (als Bild für das Leben und die Taten der Großen) dem Bild des Baches als Ausdruck des Einfachen, Bescheidenen.
Weitere Gedichte: Pavlin (Der Pfau, 1795, Schilderung des schön-beschränkten Vogels als Sinnbild des „geistlosen Edelmannes“).
Zu den geistlichen Gedichten gehört die bereits früh vielfach übersetzte Ode Bog (Gott, 1784). Darin wird, gemäß physikotheologischen Argumenten, eine Vorstellung von Gott gegeben, die vermutlich auf Voltaires Ode "Le vrai dieu" zurückgeht. Wohl ist der Mensch vor Gott ein Nichts, aber die Größe des Menschen läßt auf den Schöpfer schließen: „Ich bin Zar, bin Sklave, bin Wurm, bin Gott! (Ja car’ – ja rab ja cerv’ – ja bog!“), heißt es, und: „Ich bin – und also bist auch Du.“

In den 90er Jahren widmet sich Dershawin dem anakreontischen Genre: Krezov Brot (Des Krösus Eros), Pčelka (Das Bienchen, beide 1796); das lautspielerische Gedicht Solovej vo sne (Die Nachtigall im Traum/Schlaf, 1797) unter Verzicht auf das Phonem r, aber unter häufiger Verwendung der euphonischen Phoneme s, l und v.



Einige Gedichte haben einen ausgesprochen petrarkistischen Charakter (Stansy), zunächst 1776 anläßlich der Ankunft der Braut des Thronfolgers verfaßt.
1776 übersetzte er drei Sonette aus Petrarcas Canzoniere (Nr. IX [Posylkaplodov/Früchtegeschenk], XIX [Progulka/Spaziergang] und XXXV [Zadumčivost']).

Dershawin verfaßte zahreiche andere Gedichte, in denen er u.a. seine Vorliebe für Laut-Spielereien zum Ausdruck bringt (Na Bagrationa, Auf Bagration, 1806), ebenso Versus cancrini, also rückläufige Verse, darunter das berühmte Ich komme, Richter, mit dem Schwert.

Im Alter versuchte Dershawin eine umfassende Dichtungslehre, Rassuzdenie o liričeskoj poezii (Abhandlung über die lyrische Poesie, 1811/12 ) zu schreiben.

Gott


Du, größer als des Weltalls Weiten,
Du Inbegriff der Allgewalt,
Du, der du bist von Ewigkeiten,
Gestaltlos, dreifacher Gestalt!
Allgegenwärtiger, All-Einer,
Der erdgebornen Menschen keiner
Ermißt dich, ursachloser Geist;
Von dir wird alles Sein durchdrungen,
Gebaut, erhalten und umschlungen,
Der du allein der Heil'ge heißt.

Wer zählt die Tropfen in dem Meere?
Wer mißt der Sterne Licht und Strahl?
Und selbst wenn solches möglich wäre -
Für dich gibt's weder Maß noch Zahl.
Die Geister, die im Lichte leben,
Den Thron der Herrlichkeit umschweben,
Ermessen deine Tiefe nicht.
Sucht der Gedanke dich zu finden,
Er muß in deinem Licht erblinden -
Ein Irrwisch vor dem Sonnenlicht.

Du riefst vor dem Beginn der Zeiten
Das Chaos aus der ew'gen Nacht.
Du hast vor allen Ewigkeiten
Die Ewigkeit hervorgebracht.
Du hast dich in dir selbst gegründet,
Du hast dein Licht aus dir entzündet
Und strahlst in deines Lichtes Schein.
Du ließest deinen Atem wehen,
Dein Wort ließ diese Welt entstehen.
Du warest, bist, wirst ewig sein.

Was lebt, ist Schöpfung deiner Hände,
Erhalten durch dein Machtgebot;
Zum Anfang wird in dir das Ende,
Du schenkst uns Leben durch den Tod.
Wie Funken sprühn, wenn Flammen toben,
So sind aus dir hervorgestoben
Die Sonnen, Abbild deiner Macht.
Wie Rauhreif glitzert, blitzt und funkelt,
So leuchtet, wenn's hienieden dunkelt,
Tief unter dir der Sterne Pracht.

Die Sonnen ziehn zu Millionen
Durch die Unendlichkeit die Bahn;
Sie strahlen Licht in alle Zonen,
Wie sie's Äonen schon getan.
Doch diese angezünd'ten Feuer,
Die Flammenglut, so ungeheuer,
Daß ich's zu denken nicht vermag,
Die Licht-, die Brand-, die Feuerwogen
Allüberall am Himmelsbogen -
Sie sind vor dir wie Nacht vorm Tag.

Der Sterne ungezählte Herde -
Ein Tropfen ist's im Meer für dich.
Doch was ist dann die kleine Erde,
Und was ist, Gott, vor dir mein Ich?
Könnt' ich millionenfach vermehren
Die Myriaden Himmelssphären
Und Kraft und Glanz des Sternenlichts -
Dies alles würde doch nicht reichen,
Sie nur von fern dir zu vergleichen.
Doch was bin ich vor dir? Ein Nichts!

Ein Nichts! Doch deine ew'ge Güte
Bestrahlt mit ihrem Reichtum mich.
In meinem endlichen Gemüte,
Herr, spiegelst du unendlich dich.
Ein Nichts! Doch fühle ich das Leben,
Mich drängt ein unstillbares Streben
In immer höh're Höhn dir zu.
Die Seele dürstet, dich zu finden,
Und endlich wagt mein Geist zu künden:
»Ich bin - und also bist auch du!«

Du bist! So spricht der Sterne Reigen,
Und auch mein Geist, mein Herze spricht's,
Und die Vernunft muß es bezeugen:
Du bist! - Und ich bin nicht mehr Nichts,
Ich bin ein Teil im Weltgetriebe,
Ich bin gesetzt von deiner Liebe
In jene Mitte allen Seins,
Wo sich das Körperhafte endet,
Die Schöpfung sich zum Geiste wendet -
In mir ward Geist und Körper eins.

In mir fügt sich das Weltenganze,
Ich bin der Gipfel der Natur,
Die Blüte in des Lebens Kranze,
Band zwischen Gott und Kreatur.
Mein Leib, er muß zu Staub zerfallen,
Mein Geist befiehlt den Donnern allen -
Ich - Zar und Knecht, ich - Wurm und Gott!
Doch ob ich gleich so hoch geehret,
Viel ist zu wissen mir verwehret,
Und leicht wird mein Verstand zu Spott.

Von dir, o weiser Schöpfer, habe
Ich alles, was ich hab' und bin,
Du bist der Geber aller Gabe,
Des Lebens Leben und sein Sinn.
Dein Wille muß an mir geschehen,
Und durch das Tal des Todes gehen
Muß, was unsterblich ist an mir.
Mein Geist, in Sterblichkeit gekleidet,
Kehrt, wenn der Leib den Tod erleidet,
Zurück zur Ewigkeit, zu dir.

Du bleibst verborgen, unzugänglich,
Und meines inn'ren Auges Kraft
Ist, dich zu schauen, unzulänglich,
Ich ahne dich nur schattenhaft.
Und doch kann ich dich dadurch preisen,
In aller Schwachheit Dienst erweisen,
Daß sich mein Herz im Lob ergießt,
Daß Geist und Seele zu dir streben,
Daß sie in deinem Licht verschweben,
Daß dir des Dankes Träne fließt.


1780/84
Übersetzt von Ludolf Müller
In:
Russische Lyrik. Gedichte aus drei Jahrhunderten. Ausgewählt und eingeleitet von Efim Etkind; Serie Piper 1987

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Literatur. Erzählung von der Zerstörung Rjasans durch Batu (Povest' o razorenii Rjazani Batyern)
Die Erzählung von der Zerstörung Rjasans durch Batu (Povest' o razorenii Rjazani Batyern)
Dieser Kriegserzählung liegen epische Berichte aus der Volksdichtung zugrunde. Besonders in der Kolowrat-Episode erinnert die Erzählweise an die epische Volksdichtung.

Historischer Hintergrund der Erzählung ist der Einfall der Tataren in das Russische Land vom Jahr 1237. Rjasan wird in der zweiten Dezemberhälfte erobert, geplündert und zerstört.

Die älteste erhaltene Hs stammt aus dem 16. Jht.

1237 dringt ein Tatarenheer unter Chan Batu in das Russische Land ein und fordert von den Rjasanern den Zehnten als Abgabe. Erfolglos bemühen sich die Fürsten mit Geschenken, Batu von einem Feldzug gegen ihren Teilstaat abzuhalten. Batu verlangt sogar Frauen aus dem Rjasaner Fürstengeschlecht für sein Lager, vor allem die schöne Jewpraxija. Als ihr Gatte dies ablehnt, läßt Batu ihn und die anderen fürstlichen Gesandten erschlagen. Jewpraxija erhält die Todesnachricht und stürzt sich mit ihrem kleinen Sohn aus ihrem hohen Palast. Der Versuch eines Rjasaner Heeres, in erbitterten Kämpfen die Tataren zurückzuschlagen, scheitert. Die Angreifer dringen in die Stadt ein, töten alle Einwohner, plündern und brandschatzen Rjasan.
Als der Held Jewpati Kolowrat von den Greueltaten erfährt, sammelt er eine kleine Drushina und zieht gegen Batu. Er fällt überraschend über dessen Armee her und bringt ihr große Verluste bei. Anstelle der im Kampf stumpf gewordenen eigenen Schwerter ergreifen Jewpatis Krieger die ihrer Feinde. Jewpati selbst erschlägt im Zweikampf vor den Augen Batus einen seiner Verwandten. Nur mit großen Anstrengungen gelingt es zuletzt den Tataren, Jewpati zu töten und seine dezimierte Drushina zu bezwingen. Voller Achtung gegenüber einem solch tapferen Gegner verneigen sich Batu und seine Heerführer vor dem toten Recken und schenken seinen überlebenden Kriegern die Freiheit.
Fürst Ingwar Igorewitsch, der an den Kämpfen nicht beteiligt war, zieht durch das verwüstete Rjasaner Land und sieht die zahllosen noch unbestatteten Erschlagenen. Laut schreiend beklagt er den Tod seiner Angehörigen und der vielen Rjasaner Frauen und Männer, Kinder und Greise. Er läßt die Toten zusammentragen und begraben. Für seine Brüder spricht er eine ergreifende Totenklage. Schließlich sammelt er die Überlebenden und beginnt sofort mit dem Wiederaufbau des Landes.
Das alle Teile verbindende Leitmotiv der Erzählung ist der „Todeskelch“, den zu leeren den Russen bestimmt ist.


G. Sturm, „Die Erzählung von der Zerstörung Rjasans durch Batu“, in: O Bojan, du Nachtigall der alten Zeit. Sieben Jahrhunderte altrussischer Literatur, Berlin 1965, S. 187-199.

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Donnerstag, 27. April 2006
Literatur. Tauwetter unter Chruschtschow
Nach 1953 begann die so genannte „Tauwetterperiode“ unter Nikita Chruschtschow. Die Bezeichnung geht auf den Roman "Tauwetter" von Ilja G. Ehrenburg, 1954, zurück. Es kam zur Lockerung der Doktrin des sozialistischen Realismus. Das Themenspektrum erweiterte sich etwa durch die Einbeziehung der Psychologie des Erlebens.

Ein bedeutender Roman ist W.D. Dudinzews "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein" (1956). Er setzt sich kritisch mit der Periode des Stalinismus auseinander.

Weitere wichtige Autoren der Epoche waren:
D. A. Granin, J. M. Nagibin, Wera Panowa.

In der Lyrik setzte sich vor allem J.A. Jewtuschenko mit der jüngsten russischen Vergangenheit auseinander.
Besonders A.A. Wosnessenski, B. Achmadulina und R.I. Roschdestwenski bemühten sich um neue Formen lyrischen Ausdrucks.
Die Jeansprosa (oder Junge Prosa) wandte sich den Problemen Heranwachsender in der sowjetischen Gesellschaft zu.
Allerdings wurden die neu gewonnenen Freiheiten in der Folgezeit wieder eingeschränkt (B. L. Pasternak, A. I. Solschenizyn).
1985: Mit der Wahl Michail Gorbatschews zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei begann eine neue Ära in der Geschichte der Sowjetunion. In der Perestrojka-Literatur spielte die Publizistik eine große Rolle. Der große Diskurs um Enttabuisierung, d.h. Aufdeckung und Darstellung bisher streng geheim gehaltener Tatsachen, und deren Bewältigung vollzog sich in Form von Reportagen, Dokumentationen, Tatsachenberichten, Erinnerungen, Leserbriefen, Diskussionen, Disputen und Polemiken. Besonders populär war in den 1980er Jahren die Zeitschrift Ogonjök (Das kleine Feuer) mit ihrem literarischen Material aus den Archiven der Geheimnispolizei. Die Nachfrage nach der Zeitschrift Ogonjök war außerordentlich groß.
In den Abschlußklassen der russischen Schulen wurden in den Geschichts- und Literaturstunden die Veröffentlichungen der Zeitungen und Zeitschriften benutzt. Die meisten Werke der zeitgenössischen Literatur hat man nicht in bereits vorhandenen Büchern gelesen, sondern in Heften der "Roman-Gazeta" (Roman-Zeitung). Das war eine literarische Sonderzeitschrift. So haben die Schüler der Perestrojka-Zeit z.B. den Roman von Wladimir Dudincev „Weiße Gewänder” und den von Anatolij Rybakov „Die Kinder vom Arbat” kennen gelernt. Der Roman „Weiße Gewänder” erzählt von der Zerschlagung der biogenetischen Forschung in der Stalin-Zeit. Er wurde 1967 verfaßt. Der Roman von Rybakov ist im Jahre 1987 erschienen und wurde das erfolgreichste Buch der Perestrojka-Literatur. Er zeigt die private Sphäre junger Leute in Moskau in den 1930er Jahren. Rybakov erweiterte seinen Erfolgsroman mit „Das Jahr 1935 und andere Jahre” (1989) und „Angst” (1990) zur Trilogie, in der die Stalin-Handlung mehr und mehr Gewicht erhielt.
Zum eigentlichen Erfolgsautor der neuen Literatur wurde Viktor Pelevin. Er hatte am Moskauer Energetik-Institut studiert und zunächst kurze Erzählungen geschrieben. Zwischen 1992 und 1999 erschienen acht Bücher von ihm. Das letzte Buch vom Jahre 1999 heißt „Generation '"P'” und zeigt ein Generationenporträt der so genannten „Pepsi-Generation”.
Derzeitig ist der Name der Schriftstellerin Tatjana Tolstaja in aller Munde. Die Enkelin Tolstojs schrieb ihre erste Erzählung 1983. Sie lehrte sechs Jahre in den USA russische Literatur und kehrte 2000 nach Russland zurück. Eine Überraschung bot ihr Roman mit dem unübersetzbaren Titel „Kys’” im Jahre 2003.

„Man braucht sich um die russische Literatur nicht zu sorgen. Sie gewinnt ihre Perspektiven aus der Gewissheit großer Traditionen und schöpft aus einer uneingeschränkt fortwirkenden künstlerischen Kraft” (Lauer, Rheinhard: Kleine Geschichte der russischen Literatur. München 2005. S. 259).

Dr. Darja Ozerova

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Literatur. Tatjana Tolstaja in St. Petersburg (Leningrad) geboren (1951)
Tatjana Tolstaja in St. Petersburg (Leningrad) geboren. Leo Tolstoi war ihr Vorfahre.




Studium der Altphilologie. Arbeit als Lektorin. Autorin in Moskau.
1987: Erzählungen „Stelldichein mit einem Vogel“, dt. 1989. Die Sammlung machte sie über Nacht zur bekanntesten Schriftstellerin der SU.
1989: Umzug in die USA.
Neunziger Jahre: Lehre an der Princeton University und am Skidmore College (New Jersey).
Essays zur russischen Literatur für Magazine, etwa für „The New York Review of Books“ (gedruckt als „Pushkin’s Children. Writings on Russia and Russians“).
2000: Rückkehr nach Rußland . Abschluß des ersten Romans „Kys“ (Beginn 1986).

Weitere auf deutsch erschienene Werke: „Kys“ (2003), „Stelldichein mit einem Vogel“ (1989), „Sonja“ (1991), „Und es fiel ein Feuer vom Himmel“ (1992).

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Literatur. Iossif Brodskij (1940-1996)
Russisch-amerik. Lyriker.
1987: Nobelpreis.

Er verbrachte mehrere Monate in einem sowjetischen Arbeitslager. Anschließend ging er ins Exil, in den siebziger Jahren in die Vereinigten Staaten.
Eine seiner bekanntesten Gedichtsammlungen: "Stichotvorenija i poemy" (1965, "Gedichte und Poeme").

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Literatur. Michail Bulgakow (1891-1940)


Bulgakow war einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller des 20. Jhts.

Nach einem Medizinstudium arbeitete er als Landarzt. Dann zog er nach Moskau, um sich ganz der Literatur zuzuwenden.
Bulgakow wurde zeitlebens von der stalinistischen Zensur geknebelt. Seine Dramen durften nicht aufgeführt, seine Prosawerke konnten erst nach seinem Tod veröffentlicht werden.
1930 schrieb er in einem Brief, weshalb sein Werk sich nicht für den „gesellschaftlichen“ Auftrag und eine optimistische Sichte der Welt eigne:

„Es sind die schwarzen und mystischen Farben (ich bin ein mystischer Schriftsteller), in denen die zahllosen Unzulänglichkeiten unserer Alltagswelt dargestellt sind, es ist das Gift, von dem meine Sprache durchtränkt ist, der tiefe Skeptizismus im Hinblick auf den revolutionären Prozeß, der sich in meinem rückständigen Lande vollzieht, und die ihm gegenübergestellte Vision einer Großen Evolution, und das allerwichtigste: die Darstellung der schrecklichen Züge meines Volkes, die lange vor der Revolution schon bei meinem Lehrer Saltykow-Schtschedrin die tiefsten Leiden hervorgerufen haben.“

Hauptwerk: Roman Master i Margarita (Der Meister und Margarita), der von den Ereignissen in der von Dämonen befallenen Stadt Moskau erzählt, zwischen 1929 und 1940 entstanden. Er wurde erst 1966 veröffentlicht.

Weitere Werke:
„Aufzeichnungen eines jungen Arztes [Arztgeschichten]“ - „Teufeliade“ - „Teufeleien“ - „Die verhängnisvollen Eier“ - „Die weiße Garde“ - „Hunde-herz“ - „Die Tage der Turbins“ - „Sojas Wohnung“ - „Die Flucht“ - „Die Kabale der Scheinheiligen (Molière)“ - „Aufzeichnungen eines Toten“ - „Die letzten Tage (Puschkin)“ - „Der Meister und Margarita“.

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