Samstag, 29. April 2006
Literatur. Nikoláj Ivánovič Novikóv (1744-1818)
Nikoláj Ivánovič Novikóv geboren (gest. 1818)



Katharinas Regierungsstil war zumindest kurz nach ihrem Regierungsantritt noch von der Aufklärung geprägt.
Die Zarin hing den Zielen der „Universalkirche der Aufklärung“ an. Sie versuchte es, auch als Autorin in den 1770er Jahren, Trägheit und Aberglauben im eigenen Lande aufzuzeigen und konservativen Gegnern ihrer aufgeklärten Politik entgegenzutreten.
Die Zarin ließ 1769 die satirische Zeitschrift Vsjakaja vsjacina (Allerlei) als ihr persönliches Sprachrohr herausgeben. Sie wollte damit ein kritisches Organ etablieren, um Bildung und Gesittung im Lande zu befördern und auf die öffentliche Meinung einzuwirken.
Damit bewirkte sie eine liberal-demokratische Strömung unter den russischen Adeligen. Unter deren bedeutendsten Vertretern waren Nikolaj I. Novikov und Alexander N. Radiscev. Sie freilich wurden für ihre aufklärerische Aktivitäten in den 1790-er Jahren schließ als gefährliche „Umstürzler“ interniert. Novikov wurde zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt. Nach Katharinas Tod wurde Novikov unter Paul I. 1796 frei gelassen.
Katharinas Abkehr von den Idealen der Aufklärung hat viel mit der Revolution 1789 in Paris zu tun.
Katharina hatte den Pugačev-Aufstand (1775) niedergeschlagen. Mit der Zalovannaja gramota (Gnadenurkunde von 1785) über die Bestätigung und Ausweitung der Adelsrechte konnte sie ihre autokratische Herrschaft weiter absichern. Die revolutionären Ereignisse in Frankreich ließen sie ihren liberal-aufklärerischen Kurs aufgeben. Dies betrifft auch das Feld der Literatur und der literarischen Öffentlichkeit. Der Pugacev-Aufstand setzte der von Katharina selbst initiierten Welle satirischer Zeitschriften fürs erste ein Ende. Rußland vollzog im Verbund mit Preußen und Österreich seine Politik der territorialen Expansion (Teilungen Polens) und der Sicherung des ancien régime.
Nikolaj Novikov hat mit den Zeitschriften Truten’ (Die Drohne, 1769/70), Zivopisec (Der Maler, 1772/73) und Košel’ ók (Der Geldbeutel, 1774) zum politisch-gesellschaftlichen Diskurs der Zeit mit kritischer Schärfe erheblich beigetragen, wobei ihm sein Wissen als Protokollsekretär bei der Ständeversammlung, die eine neue Verfassung vorbereiten sollte, bedeutsam war. Freilich blieb, aufgrund der recht geringen Auflagen der Zeitschriften, deren Wirkung auf den engen Kreis der Gebildeten in Petersburg beschränkt.
Zwischen 1779 bis 1789 veröffentlichte Novikov als Pächter der Moskauer Universitätsdruckerei 817 Titel.
Darunter waren 340 belletristische Werke, desweiteren Lehrbücher, Wissenskompendien, religiöse und freimaurerische Erbauungsschriften. Damit bestritt er rund zwei Drittel der verlegerischen Gesamtproduktion im damaligen Rußland. Die Freimaurerlogen verschiedener Systeme, die sich in Rußland seit den 30er Jahren, besonders in den 70er und 80er Jahren ausbreiteten, haben die russische Literatur nachhaltig beeinflußt. Sie gründeten und förderten z.B. literarische Gesellschaften, in denen Studenten und Schüler zu literarischen Übungen wie zur moralischen Vervollkommnung angehalten wurden. Eine dieser Gesellschaften war das „Sobranie universitetskich pitomčev“ (Vereinigung der Universitätszöglinge) in Moskau, das Johann Georg Schwarz, ein enger Freund Novikovs, und der nach Moskau verschlagene Jakob Michael Reinhold Lenz 1781 gegründet hatten.
1772: Nikolaj Novikovs „Versuch eines historischen Lexikons über die russländischen Schriftsteller“ erscheint. Darin werden über 315 Schriftsteller verzeichnet. Das Buch richtet sich ausdrücklich an die neu entstehende Schicht gebildeter Leser in Rußland.

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