Donnerstag, 27. April 2006
Literatur und Kunst: Sozialistischer Realismus
Einer der wichtigsten Theoretiker der sozialistisch-realistischen Romanepopöe, der ungarische Literaturtheoretiker und Philosoph Georg Lukács, geht 1933 nach Moskau ins Exil.

Lukács stellt dem bürgerlichen Roman den des sozialistischen Realismus gegenüber: Mit der erfolglosen Suche nach Heldentum und positivem Sinn sei der bürgerliche Roman ein typisches Produkt der kapitalistischen Welt.



Georg Lukács

Der sozialistisch-realistische Roman hingegen besitze alle Voraussetzungen für eine wahrhaft epische Gestaltung (Totalität).

Die Idee des Sozialistischen Realismus wirkte sich auch auf andere Künste und Gattungen aus, etwa auf den Film. Als Beispiel wäre etwa V. Pudovkins 1926 erschienener Film "Die Mutter" zu nennen, ebenso die Verfilmung von D.A. Furmanovs Roman "Capaev" durch die Brüder Vasil'ev (1934), der als Muster des sozialistisch-realistischen Filmepos‘ galt.

In der Malerei gab es eine starke Orientierung am Historienbild (wie es von Repin bekannt war).
In der Musik galt etwa die Vertonung von Romanen wie Solochovs "Der stille Don" als vorbildlich, ebenso der Rückgriff auf die Programmmusik des 19. Jahrhunderts.

Im Statut des Schriftstellerverbandes wurde der Sozialistische Realismus in folgender Formulierung zur verbindlichen künstlerischen Methode der Sowjetliteratur erklärt:

„Der Sozialistische Realismus, der die Hauptmethode der sowjetischen Schönen Literatur und Literaturkritik ist, fordert vom Künstler wahrheitsgetreue, historisch konkrete Darstellung der Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung. Wahrheitstreue und historische Konkretheit der künstlerischen Darstellung muß mit den Aufgaben der ideologischen Umgestaltung und Erziehung der Werktätigen im Geiste des Sozialismus verbunden werden.“

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Literatur und Kunst: Futurismus (1910-1920)
Futurismus

Der russische Futurismus ist ein autonomer Teil in der Zeit der europäischen Kunstrevolution. Er entstand aus dem „Symbolismus“ und „Impressionismus“ und strebte eine Revolutionierung der Form, insbesondere der Literatursprache, an.

Die wichtigste Gruppe in Rußland bildeten die Kubofuturisten seit 1910 (V. Chlebnikov, David u. Nikolaj Burljuk u. A. Krucenych). Ihr Ziel war die „Autonomie und Befreiung des Wortes“, wobei sie dem Wort als Form- und Klangelement größeres Gewicht als seiner Semantik beimaßen. Diese Auffassung führte zu verschiedenen experimentellen literarischen Unternehmungen, die sich z.B. im Versuch der Entwicklung einer metalogischen Sprache, im Bereich der Syntax (z.B. Verzicht auf Präpositionen bei Burljuk), der Neologismen, im Vers- und Reimsystem zeigen.
Das Manifest von 1912 (Poscecina obscestvennomu vkusu = Eine Ohrfeige dem öffentlichen Geschmack), lehnte die gesamte vorangegangene Literatur ab.
Die Revolution wurde von den Kubofuturisten begrüßt. Sie sahen in ihr die Möglichkeit, ihre radikalen Vorstellungen zu verwirklichen.
Die Egofuturisten (1911 in St. Petersburg gegründet), vertraten einen radikalen Individualismus. Sie forderten die Aufhebung sittlicher und moralischer Beschränkungen in der Kunst.
Neben den Kubo- und Egofuturisten etablierte sich 1914 (bis 1922) die Gruppe Centrifuga (Zentrifuge). Ihr ging es vor allem um eine Erneuerung des Lyrischen, seiner Metaphern, seiner Bildsprache. Vertreter waren u.a. S. Bobrov, B. Pasternak, N. Aseev.
Das sowjetische Regime stand dem Futurismus (wie der daraus entstandenen Gruppe LEF und der Leningrader Vereinigung Oberiu) ablehnend gegenüber.

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Literatur und Kunst. Der Symbolismus - Mitte der 90er Jahre
Als Gegenströmung zur Überbetonung des Inhaltlichen entwickelte sich seit Mitte der 1890er Jahre der Symbolismus (W. J. Brjusow, K. D. Balmont, A. Belyj, A. Blok, S. N. Hippius, L. N. Andrejew). Um 1910 entstanden neue kurzlebige Richtungen, aber zum Teil beachtlichen Leistungen: Der Futurismus (W. Majakowskij, W. Chlebnikow), Egofuturismus (I. Sewerjanin), Expressionismus (A. Belyjs Romane), der gegen den Symbolismus gerichtete Akmeismus (N. S. Gumiljow, A. Achmatowa, O. E. Mandelschtam) und Imaginismus (S. A. Jessenin).

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Literatur und Kunst. "Silbernes Zeitalter": 1892-1932
Sogenanntes Silbernes Zeitalter der russischen Dichtung (oder auch Zweites Goldenes Zeitalter)

Eine Epochenbezeichnung für das kulturelle Leben in Rußland um 1900 bis zum sozialistischen Realismus.

Nach 1905 hatten sich die Möglichkeiten der intellektuellen Kommunikation liberalisiert. Sie führten zu einer politisch-sozialen Befreiungsbewegung wie zu einer intensiveren intellektuell-kulturellen Entwicklung, die Universitäten, Schulwesen, bildende Kunst, Theater, Kirche und vor allem die Literatur erfaßte. Es handelte sich weniger um die Befreiung des Kulturlebens von der staatlichen Zensur als um die Auflehnung der Künstler gegen die Tyrannei von Regeln, die im 19. Jahrhundert vorherrschten und künstlerische Mittel v.a. als Instrument im sozialen Kampf beanspruchte (z.B. Belinskij, 1811-1948).

Mit den Symbolisten V. J. Brjusov (1873-1924), Zinaida Gippius (1867-1945), K.D. Bal’mont (1867-1943), A.A. Blok (1880-1921) und N.S. Gumilev (1886-1921) brachte sich der Anspruch auf Autonomie der Kunst nachhaltig zur Geltung. Die ideologische Problematik des Symbolismus ging vor dem Hintergrund kosmopolitischer Bildung über die Probleme der Ästhetik hinaus: V. Ivanov (1866-1949) strebte eine Synthese von Antike und Christentum an. Für sie sollte Schönheit das oberste Ideal und der wichtigste Maßstab für künstlerisches Schaffen sein.

Die Jahre um 1910 sahen den Sieg der neuen Richtung, die ihre Weiterentwicklung im Akmeismus (A. A. Achmatova, 1889-1966) und im Futurismus (Vl. Majakovskij, 1893-1930; B. L. Pasternak, 1890-1960) fand.

In der Bildenden Kunst konnte sich die Avantgarde dieser Zeit allerdings nur bedingt durchsetzen. Ihre bedeutendsten Vertreter (V. Kandinskij, 1866-1944; A. v. Javlenskij, 1864-1941; M. Chagall, geb. 1887) konnten sich in Rußland nicht etablieren.

Kennzeichnend für diese vier Jahrzehnte des Silbernen Zeitalters ist ein deutlicher Wandel in den ästhetischen Normen und literarischen Ausdrucksformen. Die gegenüber der Prosa weniger beachtete Lyrik tritt entschiedener in den Vordergrund. Wichtig wurde die Lektüre Ibsens, Strindbergs, Nietzsches u.a., die Rezeption des französischen bzw. europäischen Symbolismus (bis 1910) setzte ein.
Bedeutsam waren die Entwicklungen im Bereich des Theaters (Stanislavskij und Mejerchol’d). Es entstanden neue Verlage und Zeitschriften. Insbesondere das entstehende Tanztheater gehört zu den großen Symbolen der Russischen Moderne.
Ein weiteres Merkmal des Silbernen Zeitalters ist das Nebeneinander von religiöser und ästhetischer Erneuerung.

Vgl.
E. Stenbock-Fermor, „Das Silberne Zeitalter der russischen Literatur“, in: Rußlands Aufbruch ins 20. Jahrhundert, hg. v. G. Katkov u. a., Freiburg 1970
Sabine Koller, Das Gedächtnis des Theaters: Stanislavskij, Mejerchol’d und das russische Gegenwartstheater Lev Dodins und Anatolij Vasil’evs, Tübingen 2005

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Mittwoch, 26. April 2006
Literatur und Kunst. 1924: Gründung des Literarischen Zentrums der Konstruktivisten in Moskau
Das „Literarische Zentrum der Konstruktivisten“ in Moskau gegründet.

Zu ihm gehörten Lyriker wie Il’ja Sel’vinskij, Edvard Bagrickij, Vladimir Lugovskoj, Vera Inber u.a.
Das Zentrum organisierte sich straff wie die Partei, auch stellte es 1925 einen „Staatsplan der Literatur“ auf. Er legte präzise die Aufgaben der Mitglieder für das kommende Jahr fest. Selbst die Poetik hielt sich an solche minutiösen Planungen, indem sie von der Poesie ein Höchstmaß an poetischer Ökonomie forderte.

Nach: Städtke, S. 297

Die Konstruktivisten wollten die mechanischen Vorgänge der Industrie und die jüngsten Entwicklungen der Technik darstellen. Die abstrakte Kunst suchte in Mechanismen und Maschinen nach konkreten Anhaltspunkten. Suprematisten, Projektionisten und Vertreter anderer nichtgegenständlich arbeitender Richtungen verwandelten die Malerei in eine Art algebraischer Rechnung. Sie verwendeten in ihren Aufrufen wie in den Titeln ihrer Bilder einer fast wissenschaftlichen Terminologie. Ihre streng sachlich-zweckmäßig, geometrisch konstruierten Gebilde bekamen das Aussehen statistischer Diagramme, von Skizzen und Plänen der Maschinenbauingenieure. Einige Maler, welche den Industrialisierungsschub der neuen sowjetischen Gesellschaft erkannten, wollten die Kunst in die Produktion einzufügen und dem Nützlichen zuführen. Die im 1920 in Moskau eingerichteten „Institut mudozestvennoj kul’tury“ (Institut für Kunst und Kultur, INCHUK) unternommenen Versuche und die daraus gewonnenen Erfahrungen führten zu einem radikalen Beschluß.
Am 24. Mai 1922 erklärten 25 Mitglieder des INCHUK (Tatlin, Rodtsmenko, Lawinskij, Popowa, Stepanowa u.a.) die herkömmliche Staffeleimalerei für überholt und jede künstlerische Tätigkeit, die kein produktives Ziel verfolgte, für überflüssig. Die Kunst wurde Konstruktion von Gegenständen, die technische Verarbeitung von Materialien. Sie näherte sich dem Handwerk, den Tätigkeiten der Arbeiter. Nach den „absoluten“ Bildern des Suprematismus wollten die Kubofuturisten ein neues Universum der absolut notwendigen und präzisen Einrichtungen und Vorrichtungen gestalten und den Formen des bürgerlichen Zeitalters eine sparsame, strenge Geschlossenheit, einen beinah asketischen „Purismus“ entgegenstellen (Idee der „Industriekunst“ [proiz-vodstvennoe iskusstvo]).
Die „Produktivisten“ (proizvodstvenniki) übertrieben jedoch mit der kategorischen Ablehnung aller Werte der Vergangenheit – bei vielen führte dies zu einer nihilistischen Haltung.
Der von ihnen vertretene Industrialismus brachte keine beachtlichen Ergebnisse hervor. Die proizvodstvenniki wollten einen zu raschen Sprung in ein Rußland der Wolkenkratzer und Großfabriken, in ein russisches Amerika.
Im Oktober 1922 wurden diese Ideen durch die „Erste Russische Kunstausstellung“ (Vystavka izobrazitel'nogo iskusstva RSFSR) in Berlin auch in Westeuropa besser bekannt.
Im Dezember 1922 schrieb Majakowskij aus Paris:

„Zum erstenmal ist die neue Parole der Kunst nicht von Frankreich, sondern von Rußland ausgegangen: der Konstruktivismus. Man wundert sich sogar, daß es dieses Wort auf Französisch überhaupt gibt. Ich denke nicht an den Konstruktivismus jener Künstler, die aus schönen und nützlichen Drähten und Blechfolien unnütze Gebilde formen; sondern an den, der die Arbeit des Künstlers nur als eine Art ‚Bautechnik’ betrachtet, die nötig ist, unser ganzes praktisches Leben zu bilden und zu gestalten. Hier haben die französischen Künstler von uns zu lernen.“

Nach: angelo maria ripellino, majakowskij und das russische theater der avantgarde, Köln und Berlin 1964, S. 134 ff.

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