Sonntag, 30. April 2006
Literatur. Wladimir Sorokin
7.10. 1955: Wladimir Sorokin geboren.



Studium der Petrochemie.
Arbeit als Buchillustrator.
Ende der siebziger Jahre: Erste literarische Anerkennung. Sein in zehn Sprachen übersetzter Roman "Die Schlange" machte ihn berühmt.

Sorokin gehört zu jenen Autoren, die ohne Publikationsmöglichkeit im Inland schrieben. Obwohl seine Texte seit 1985 im Ausland erscheinen, konnten sie in der SU erst 1989 veröffentlicht werden.
Sorokin ist Mitglied des russischen PEN-Club.
2005: Preisträger des Preises „Liberty“ des deutschen Kultusministeriums.
70er Jahre: Dichtergruppe d. „Moskauer Konzeptualisten“ (skandalumwitterte Kunstinszenierungen und Untergrundvernissagen).

Sorokin ist Verfasser von Romanen, Theaterstücken und Hörspielen.
1998 lehrte er ein Semester im Rahmen einer Gastprofessur an der Freien Universität in Berlin.

Sorokin wird als „führendes Monster der neuen russischen Literatur“ bezeichnet. In seinen Werken artikuliert er mit dekonstruktivem Erzählen, obszöner Sprache, Kannibalismus, Gewalt und Perversion die Zerrissenheit der russischen Kultur, in der das Böse und der Zerfall zu einer Metapher des Lebens wurde.
Seie Figuren sind oft auf Triebbefriedigung reduzierte Wesen. Sorokins Werke beginnen zumeist idyllisch, um in Phantasmagorien der Gewalt zu enden. Seine Sprache imitiert dabei virtuos verschiedenste Stile und Sprachschablonen.
Auf Deutsch erschienen: "Die Schlange" (1990), "Marinas dreißigste Liebe" (1991), "Der Obelisk" (1992), "Ein Monat in Dachau" (1992), "Die Herzen der Vier" (1993), "Roman" (1995), "Pelmeni/ Hochzeitsreise, Die Norm und Der himmelblaue Speck (2000).“
Spektakulär war eine Aktion der Sorokin-Gegner Ende Juni im Zentrum Moskaus. Das Allerheiligste der Moskauer wurde entweiht, der Platz vor dem Bolschoi-Theater - mit einer riesigen Toilette. In die Kloake sollten sie gespült werden, die Bücher Sorokins, forderten die Vertreter der Jugendorganisation Gemeinsamer Weg.
Die meisten Büchervernichter sind allerdings in die Jahre gekommene Vaterlandsverteidiger, Anhänger Stalins und der SU. „Wir sind gegen Pornografie“, schimpften Frauen bei der Aktion. „Wir kennen Sorokins Bücher zwar nicht, aber wir sind gegen Pornografie.“ Und die Verlage, die seine Bücher drucken, möchten sie nun am liebsten verboten sehen.
Kenner der Sorokinschen Bücher bescheinigen ihm einen kräftigen Naturalismus. Auch das Schöne gerate in seiner Literatur drastisch: Dies sei freilich normal, wenn jemand das häßliche Antlitz des bourgeoisen Rußland zeichne. Sorokin selbst hat unterdessen Gegenmaßnahmen angekündigt. Auch er werde vor Gericht ziehen, weil seine Gegner einzelne Stellen aus seinen Romanen sinnentstellend veröffentlichen würden. Bei Stalin habe man mißliebige Dichter heimlich erschossen. Jetzt würden sie öffentlich angeprangert, wie in China zu Zeiten der Kulturrevolution. „Es ist wirklich schrecklich“, lautet Sorokins Fazit.

„Ich fühle mich überhaupt nicht frei auf diesem Planeten“, sagt Vladimir Sorokin. „Es gibt keine Freiheit - nur Gespenster der Freiheit. Solange wir uns in diesem Körper befinden und von unserer eigenen Physiologie und Psychosomatik völlig abhängig sind, können wir nicht frei sein.“

Seit Beginn der Achtziger Jahre gehört Sorokin zu den Moskauer Konzeptualisten, die sich die Traditionen der Avantgarde radikal aneignen. Sie wenden sich gegen die offizielle Sowjetliteratur, gegen den Klassikerkult, gegen die neonationalistische Dorfprosa, die moralisch ausgerichtete Dissidenten-Literatur.
Die Konzeptualisten sehen in ihnen Elemente in einem unüberwindlichen System.

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