Samstag, 29. April 2006
Literatur. 1799: Puschkin geboren
Alexander Puschkin geboren



Er gilt als einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller und als Begründer der russischen Literatursprache. Er verfaßte epische und lyrische Dichtungen, Dramen, Romane und Erzählungen.
Hauptwerk: Evgenij Onegin (1833; Eugen Onegin).
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http://home.arcor.de/berick/illeguan/pushkin1.htm

- Gymnasium in Car’skoe Selo.
- Früher Beginn der literarischen Tätigkeit.
- Stellung beim „Kollegium für Auswärtige Angelegenheiten“.
- 1814: Erstes Gedicht veröffentlicht.
- Neben dem für Puschkin wichtigen Thema Liebe stehen politische Epigramme und Gedichte, die dem Dekabrismus verpflichtet sind.
- Reisen in den Kauskasus und auf die Krim: „Der Gefangene im Kaukasus“ (1821), „Die Fontäne von Bachčisaraj“ (1822). Diese Werke zeigen Einflüsse von Byron und sind der Romantik verpflichtet.
- Versetzung nach Odessa: Beginn seines Hauptwerks „Evgenij Onegin“. (Vgl. a. 1879: Tschaikowski)
- 1824: Entlassung aus dem Staatsdienst, Verbannung nach Michajlovskoe, einem Gut seines Vaters. Intensive Kontakte zur Sprache des ‚einfachen’ Volks. Puschkin hat der „Volkssprache“ weltliterarische Geltung verschafft.
- Nikolaus I. holt Puschkin nach Petersburg zurück, er wird aber der unmittelbaren Zensur unterstellt. Puschkins Bindung an den Hof soll einen latenten Oppositionellen still stellen.
- Die Zensur wird von Puschkin immer wieder thematisiert. Selbst scheinbar zarentreue Werke wie „Boris Godunov“ (1825) oder „Der kupferne Reiter“ (1833) finden keinen Anklang bei Hofe.
- 1831 heiratet er Natalja Gončarova. Er gibt er aus wirtschaftlichen Gründen den Beruf des freien Schriftstellers auf und geht wieder in den Staatsdienst. Sein Werk wird nun von der Prosa geprägt. Hervorzuheben sind hier „Belkins Erzählungen“ (1830) und der Kurzroman „Die Hauptmannstochter“ (1833).

Lit.: Juri Lotman: Alexander Puschkin. Leipzig 1989

Evgenij Onegin, erschienen 1825-1833.

Eugen Onegin, ein junger Petersburger Dandy, hat alle Genüsse des Großstadtlebens ausgekostet. Nun empfindet er nur noch Überdruß und Langeweile. Wegen einer Erbschaft auf dem Land verläßt er die Stadt. Das Landleben aber widert ihn an, er kehrt in die Stadt zurück. Sein junger Nachbar Lenskij, ein schwärmerischer, dichtender „Göttinger“ (er hat in Göttingen studiert), macht ihn mit den Larins bekannt, deren Tochter Olga er liebt. Olgas ältere Schwester Tatjana verliebt sich in Eugen und gesteht es ihm in einem Brief. Eugen erklärt ihr, daß er sich nicht zum Familienleben eigne und warnt Tatjana vor zu schnellen Liebesbekenntnissen. Als Tatjana ihren Namenstag feiert, tanzt Eugen provokativ nur mit ihrer Schwester. Darüber ist Lenskij empört. Er schickt ihm aus Eifersucht eine Duell-Forderung. Eugen tötet ihn und verläßt sein Landgut. Olga tröstet sich, heiratet bald einen Ulanenoffizier. Tatjana heiratet in Moskau einen General. Eugen sieht Tatjana zufällig in Moskau auf einem Ball wieder. Er verliebt sich in sie und gesteht ihr in einem Brief seine Liebe. Tatjana weist ihn ab, obwohl sie ihn noch liebt.
Mit diesem Roman in Versen, wie der Autor sein Meisterwerk zum allgemeinen Erstaunen nannte, überwand Puškin den Byronismus in der russischen Literatur und leitete die Periode des großen, realistisch-poetischen Romans ein. Erstmals in der russischen Literatur begegnen in diesem Werk Menschen, die zu "Tausenden in der Wirklichkeit wiederzufinden sind" (wie der Romancier Bestuzev Marlinskij abschätzig meinte). Dies gilt nicht nur von den vielen Nebenfiguren (mehr als hundert Personen werden genannt), sondern ebenso für die vier Hauptpersonen Eugen, Tatjana, Lenskij und Olga, die wohl unverwechselbare Individuen sind, aber auch als Typen erkennbar werden.
Eugen Onegin ist der Prototyp des „überflüssigen Menschen“. Der achtzehnjährige Jüngling mit der „vor der Zeit gealterten Seele“ ist begabt, aber er leidet unter der Sterilität seiner Umwelt und ist unfähig, sich aus ihr zu lösen. Als er Petersburg verläßt, wird er als „spleenig“ bezeichnet. Später, während seiner Reise auf das Landgut, begleitet ihn die Schwermut. In der Provinz wird er bald als „höchst gefährlicher Kauz“ angesehen, weil er das Los seiner leibeigenen Bauern erleichtert. Seine Haltung gegenüber Tatjana ist kühl, überlegen, einmal gönnerhaft, dann wieder zynisch. Tatjana ist ein Mädchen, das in einer Bücherwelt lebt und dem „holden Trug“ ergeben ist. In ihrem Brief an Onegin spricht sie anfangs davon, daß beide füreinander bestimmt sind. Später, als sie in Onegins verlassenem Haus seine Bücher samt ihren Anmerkungen sieht, fragt sie sich, ob er wohl „ein Engel, ein Teufel, ein nichtiges Gespenst ... oder ein Moskoviter in Childe Harolds Mantel“ sei, und sie weiß, „er kann mir kein Glück geben“. Nach ihrer Wiederbegegnung in Moskau und Onegins Liebesgeständnis erkennt sie: „Jetzt ist die Reihe an mir“, ihm eine „Lektion“ zu erteilen“. Als Onegin vor ihr kniet, sagt sie ihm, daß sie ihn noch liebe. Doch weist sie ihn ab, weil sie verheiratet ist. Der Romantiker Lenskij erscheint bei Puškin in ironischem Licht. Er mokiert sich v.a. über dessen pseudoromantischen Gedichte. Er läßt den wirklichkeitsblinden Jüngling nicht Tatjana, sondern Olga interessant finden, deren Gesicht „so rund ist wie der dumme Mond dort überm dummen Horizont“. Lenskijs letztes Gedicht nennt Puškin „Liebesquatsch, wie Del'vig ihn redet, wenn er betrunken ist, ... schwächlich und unklar“. (Baron Del’vig war ein damals bekannter Lyriker der „Plejade“, des Dichterkreises um Puškin.)
Puškin verwendet die volkstümliche Sprache so meisterhaft wie die dichterisch gehobene. Beide Schichten wechseln miteinander in Abstufungen. Innovativ sind die zahlreichen Reime auf Fremdwörter, ungebräuchliche Betonungen, damals noch nicht literaturfähige Adverbien, psychische oder dynamische Epitheta, Antithesen, Abschweifungen und Apostrophierungen.
Als Fortsetzung waren zwei weitere Kapitel geplant: Onegins Reise, von dem aus politischen Gründen nur neunzehn Strophen als Anhang veröffentlicht wurden, und ein zehntes Kapitel (aus dem Morosov im Jahre 1910 chiffrierte Strophen fand), das Puškin aus Furcht vor der Zensur verbrannte: hierin kam z.B. Alexander I. als „glatzköpfiger Geck“ vor.
Belinskij qualifizierte das Werk als „Enzyklopädie russischen Lebens“. Nicht nur schildert Puškin das Alltagsleben der gehobenen Mittelschicht und ihrer Umwelt präzise, es gibt auch in der Welt der Natur nichts, was von ihm nicht beschrieben wäre.

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