Donnerstag, 27. April 2006
Literatur. 1889: Anna Andrejewna Achmatowa (eigentlich: Gorenko) geboren
23. 6. 1889: Anna Andrejewna Achmatowa (eigentlich: Gorenko) bei Odessa geboren (gest. 1966).


Mit Ossip Mandelstam gehörte Anna Achmatowa, die u.a. von Verlaine und Majakowski beeinflußt war, zu den Begründern und führenden Vertretern des Akmeismus.

Im sogenannten „Silbernen Zeitalter“ der russischen Poesie vor der Oktoberrevolution erlangte sie mit ihrer Liebeslyrik erste größere Beachtung. Nach der Revolution wurde ihr erster Mann, der Dichter Nikolaj Gumiljow, mit dem sie von 1910 bis 1918 verheiratet war, 1921 als Staatsfeind erschossen.

Ihr Sohn Lew Gumiljow hatte vielfältige Repressionen zu erdulden und wurde mehrfach eingesperrt. Seit Gründung der UdSSR 1922 durften Achmatowas Gedichte nicht mehr gedruckt werden. Ins Exil wollte sie nicht gehen.
Erst zwanzig Jahren später erschien ein Auswahlband von Gedichten (1940: „Aus sechs Büchern“). Ihr Gedichtszyklus „Requiem“ (1935-1961) wurde 1987 in der Sowjetunion veröffentlicht.
In „Requiem“ setzte die Dichterin allen russischen Müttern ein Denkmal, die um das Leben ihrer Söhne in den Straflagern fürchteten. Andrej Schdanow, seit 1941 verantwortlich für die Konformität von Kunst und Wissenschaft im Sinne der kommunistischen Partei zu agieren (Schdanowschtschina), diskriminierte sie 1946 als „halb Nonne, halb Dirne“ und als „bourgeois“. Sie wurde aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Erst ab 1954 wurde die Lyrikerin wieder wahrgenommen, aber doch eher nur geduldet. Sie konnte nach Italien und Großbritannien reisen, um späte Ehrungen entgegenzunehmen.

Viele Gedichte Achmatowas sind von religiösen Einstellungen geprägt. Sie kreisen um „die Liebe der Frau: die freudige, die leidende, die selbstlose, die verzweifelte“ (Wolfgang Kasack).

1912 erschien ihr erster Gedichtband „Der Abend“ ("Vecer") in kleiner Auflage. Er wurde ihr erster Erfolg. In den Gedichten geht es um Liebe und Trennung, Abschied und Schmerz, sie sind von Melancholie durchdrungen, die hin und wieder von Momenten der Fröhlichkeit erhellt wird. Sehr intensiv bestimmt die russische Geschichte Leben und Schreiben Achmatowas.
In späteren Werken wie in „Anno domini MXMXXII“ wandte sie sich patriotischen Themen zu, ohne damit ihre Kritiker beschwichtigen zu können. Diese hielten die Lyrik der Akmeisten grundsätzlich für zu privat, individualistisch und asozial.
1965 war Achmatowa für den Literaturnobelpreis nominiert, 1964 wurde sie Vorsitzende des sowjetischen Schriftstellerverbandes.
Achmatowa wurde erst spät rehabilitiert: Ihr Gedichtzyklus „Rekviem“, der den stalinistischen Terror beklagt, wurde in der Sowjetunion erst 1987 veröffentlicht. In den letzten zehn Jahren ihres Lebens schrieb Achmatowa mehrere Gedichtbände, so den Gedichtzyklus “Poema bez geroja“ (1963, "Poem ohne Held").

Achmatowa starb am 5. März 1966 in Moskau.

Lit.:
Jelena Kusmina: Anna Achmatowa. Ein Leben im Unbehausten. Biographie. Berlin 1993

Herbstliches Lied

Wieder kommst du mir, o Herbst, mein Freund! (Annenski)

Mag wer da will nach dem Süden ausfliegen
Und sich dort niederlassen zur Kur -
Dieses Jahr will ich dem Herbst mich fügen,
Der im Norden zieht seine Spur.

Mit mir trag ich ein Bild, das mir teuer:
Letzte Begegnung, die schnitt in mein Herz.
Kühl und rein, schwerelos ist das Feuer
Meines Sieges über den Schmerz.

Übersetzt von Hans Baumann
Russische Lyrik 1185-1963. Ausgewählt und übersetzt von H. Baumann, WBG Darmstadt 1963

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