Donnerstag, 27. April 2006
Politik. Kunst: Leo Trotzki
7.11. Lew Dawidowitsch Trotzkij in Janowka (Ukraine, Gebiet Cherson) als Leib Bronschtein geboren.



Als Schüler schließt er sich der sozialdemokratischen Bewegung an.
1897 gründet er den Südrussischen Arbeiterbund, er wird verbannt.
1902 Flucht nach Westeuropa. Dort trifft er Lenin und Plechanow. Bis 1904 ist er Redakteur der in München erscheinenden Exilantenzeitschrift „Iskra“ („Der Funke“).
Wegen Differenzen mit Lenin in Fragen über den Aufbau der Partei 1903 gerät er zwischen die Fraktionen der Menschewiki und Bolschewiki.
Während der Revolution von 1905 ist er Vorsitzender des Petersburger Sowjets. Erneute Verbannung und Flucht. 1917 schließt sich Trotzki den Bolschewisten an. Er wird wiederum Vorsitzender des Sowjets von Petersburg.

1917-1927 Mitglied des ZK, 1919-1926 des Politbüros der bolschewistischen Partei.
Ohne Erfolg als Volkskommissar für Äußeres (1917/18) versucht er den Frieden von Brest-Litowsk zu verhindern. Als Volkskommissar für Militärwesen (1918-1925) baut er die Rote Armee auf.



Nach Lenins Tod 1924 unterliegt Trotzki im Machtkampf gegen Stalin und verliert ab 1925 schrittweise alle Staats- und Parteiämter.
1927 Parteiausschluß,
1928 Verbannung nach Kasachstan,
1929 Ausweisung aus der UdSSR.
Im Exil ist Trotzki publizistisch tätig („Die permanente Revolution“ 1930; „Geschichte der Russischen Revolution“, 2 Bde, 1930-1933) und entwickelt seine politischen Auffassungen vom Trotzkismus. Er kritisiert den Sowjetkommunismus als „bürokratisch entartet“. Im Gegensatz zu Stalins Konzept vom „Sozialismus in einem Lande“ strebt er die Weltrevolution an. 1938 wird die „trotzkistischen“ IV. Internationale gegründet, die bis heute existiert.

Trotzki über die sowjetische Kunst:

„Mit der für sie charakteristischen Servilität hat die sogenannte sowjetische Kunst diesen bürokratischen Mythus zu einem ihrer Lieblingsthemen für das künstlerische Schaffen gemacht. Swerdlow, Dserschinski, Urizki und Bubnow werden in Farbe oder Ton, um Stalin sitzend oder stehend und seinen Worten mit verzückter Aufmerksamkeit lauschend, dargestellt. Das Gebäude, in dem das ‚Zentrum’ tagt, hat absichtlich verschwommene Konturen, um der heiklen Frage nach der Adresse aus dem Wege zu gehen. Was kann man von Künstlern erwarten oder verlangen, die gezwungen sind, die groben Spuren einer für sie selbst evidenten historischen Fälschung mit ihrem Pinsel zu verwischen?
Der Stil der offiziellen sowjetischen Malerei von heute heißt ‚sozialistischer Realismus’. Dieser Name ist ihr offenbar von irgendeinem Leiter irgendeiner Kunstsektion gegeben worden. Dieser Realismus besteht darin, die provinziellen Daguerreotypen des dritten Viertels des letzten Jahrhunderts nachzuäffen; der ‚sozialistische’ Charakter besteht offensichtlich darin, mit den Mitteln einer verfälschenden Photographie Ereignisse darzustellen, die niemals stattfanden. Es ist nicht möglich, ohne ein Gefühl physischen Ekels und Entsetzens sowjetische Verse oder Romane zu lesen oder Reproduktionen sowjetischer Gemälde und Plastiken zu betrachten: in diesen Werken verewigen mit Feder, Pinsel oder Meißel bewaffnete Funktionäre unter der Aufsicht von Funktionären, die mit Mauserpistolen bewaffnet sind, ‚große’ und ‚geniale’ Führer, die in Wirklichkeit nicht einen Funken von Größe oder Genialität besitzen. Die Kunst der Stalinepoche wird als schärfster Ausdruck des tiefsten Niedergangs der proletarischen Revolution in die Geschichte eingehen.“

Leo Trotzki, Kunst und Revolution (1939), in: Literaturtheorie und Literaturkritik, München 1973, S. 149

An anderer Stelle:

„Selbst die höfische Kunst der absoluten Monarchie beruhte auf Idealisierung und nicht auf Verfälschung. Die offizielle Kunst der Sowjetunion – und es gibt dort keine andere – ähnelt der totalitären Justiz, d.h. sie beruht auf Lug und Trug. Ziel der Justiz wie der Kunst ist die Verehrung des ‚Führers’, die künstliche Erschaffung eines heroischen Mythus. Die Geschichte der Menschheit hat noch nichts gesehen, was dem an Reichweite und Schamlosigkeit gleichkäme.“

Leo Trotzki, Kunst und Revolution (1939), in: Literaturtheorie und Literaturkritik, München 1973, S. 146.

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