Mittwoch, 26. April 2006
Rußland und Europa. Dostojewski
Dostojewski hat sich mehrfach zur Beziehung Rußlands zu Europa geäußert. Seine Haltung ist grundsätzlich kritisch bis ablehnend. Er sieht gleichsam einen eigenen russischen Weg, der sich von der Europahörigkeit vieler Russen seiner Zeit abhebt. In mehreren seiner Werke (etwa Die Brüder Karamazov, Tagebuch eines Schriftstellers, Schuld und Sühne u.a.) kritisiert er die Werteordnungen, Lebensformen und Verhaltensweisen, d.h. die Aufklärung, den Individualismus, Rationalismus, die Säkularisierung der westlichen Gesellschaften. Er fordert Rußland auf, sich von Europa ab- und Asien zuzuwenden. Nach der Eroberung der turkmenischen Festung Geok-Tepe (1881), schreibt er, daß Rußland die Eroberung Asiens brauche, „weil Rußland nicht nur in Europa, sondern auch in Asien liegt; weil der Russe nicht nur Europäer, sondern auch Asiate ist. Und noch mehr als das: in Asien liegen vielleicht noch mehr unserer Hoffnungen als in Europa. Und ich sage noch mehr: vielleicht ist Asien in unseren künftigen Schicksalen der wichtigste Ausweg!“

F.J. Dostojewski, „In Europa sind wir nur Landstreicher“, in: Tagebuch eines Schriftstellers. Notierte Gedanken. Aus d. Russischen von E.K. Rahsin, Nachwort von A. Flaker, München und Zürich 1992, S. 309-313

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