Donnerstag, 4. Mai 2006
Geschichte. Rasputin
Grigorij Jefimowitsch Rasputin (geb. um 1871 Prokrowskoje bei Tjumen (Sibirien), gest. 16./17.Dezember 1916, St. Petersburg.

Sein Aufstieg vom Bauernsohn in eine dominierende Position mit weitreichenden politischen Folgen unter der Zarenfamilie im vorrevolutionären Rußland ist ohne die ihm zugeschriebenen heilkundlichen Kenntnisse und Verhaltensregeln nicht denkbar.
Rasputin war das dritte Kind eines wohlhabenden Bauern. Zwanzigjährig heiratete er ein Mädchen aus seinem Dorf, mit dem er drei Kinder hatte. Er arbeitete als Fuhrmann. Um 1900 schloß er sich den flagellantischen Khlisti (Chlysten = Geißler), einer häretischen religiösen Sekte, an und lebte in einer mönchsähnlichen Gemeinschaft. Diese lebte nach der Devise, daß der Mensch zuerst sündigen müsse, um erlöst zu werden. Sie praktizierten vielfältige Gebräuche und Riten vorwiegend sexueller Natur. Deshalb wurde Rasputin aus seinem Heimatdorf verstoßen.
Danach wanderte Rasputin durch Russland. Allenthalben zog er Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem führte er Frauen in die Flagellantenrituale ein.

Um 1905 ließ sich Rasputin in St. Petersburg nieder. Er eröffnete in einer Mietwohnung eine Art ärztliche Praxis. Sein Patientenkreis bestand vorwiegend aus Frauen jüngeren Alters, die aus allen Bildungs- und Gesellschaftskreisen stammten. Sie versammelten sich im Esszimmer und warteten auf die Einladung in Rasputins Schlafzimmer (das „Allerheiligste“). Bald verbreiteten sich Gerüchte über Rasputins Wunderkräfte.
Seine Wirkung wurde auch am Zarenhof in St. Petersburg wahrgenommen.

1907 wurde er zu Zar Nikolaus II. Alexandrowitsch (1868-1918) geladen. Dessen Sohn Alexis litt unter Hämophilie. Rasputin gelang es, das Leiden des jungen Thronfolgers (kurzfristig) zu lindern, was ihm die uneingeschränkte Gunst der Zarin Alexandra und die Bewunderung des Zaren einbrachte. Diese Protektion nutzte Rasputin für sich und verschaffte sich eine einflußreiche Stellung.
Sein Einfluß auf die Zarenfamilie und sein Lebenswandel riefen zumal in konservativen Adelskreisen Bestürzung hervor. Er wurde als Ursache der Kriegsniederlage gegen Japan 1904/1905, der Revolution 1905 und den sich abzeichnenden russischen Zusammenbruch im 1. Weltkrieg angesehen. Nachdem Attentatsversuche gegen ihn fehlgeschlagen waren, gelang es einigen Verschwörern, Rasputin in eine Falle zu locken und zu ermorden. Die Verschwörer, Prinz Felix Jussupow, Wladimir Purischkjewitsch, Dmitri Pawlowitsch Romanow (ein Neffe des Zaren), Oberst Suchotin und Dr. Stanislaus Lasowert, versuchten zunächst, Rasputin zu vergiften. Er überlebte den Verzehr mehrerer mit Zyankalie gefüllter Törtchen. Dann schossen die Verschwörer auf ihn. Die Schüsse waren nicht tödlich. Die Verschwörer fesselten Rasputin und warfen ihn schließlich in die Newa, wo er ertrank.

Flügeladjutant Sablin über Rasputin:

„[...] 1908, während einer Kreuzfahrt auf der Yacht ‚Standart’, als ich der Zarenfamilie näher kam, gab mir die Zarin in Gesprächen zu verstehen, dass sie Rasputin kenne. Sie sprach davon, daß es Menschen gibt, deren Gebete aufgrund ihrer asketischen Lebensweise besondere Kraft haben, und erklärte schließlich, daß es in Rußland einen solchen Menschen gebe, nämlich Rasputin, und schlug mir vor, ihn kennenzulernen. [...] Dieser blinde Glaube, den sie und der Herrscher Rasputin entgegenbrachten, erklärt sich mir aus ihrer unendlichen Liebe für den Thronfolger, der an einer Krankheit litt, die bei den Ärzten als unheilbar galt. Wie ein Ertrinkender nach dem Strohhalm greift, so klammerten sie sich an den Glauben, [...] daß die Gebete Rasputins Wunder vollbringen, den kranken Thronfolger heilen und jede Sache heiligen könnten. Schließlich glaubten sie sogar fest, daß Rasputins Leben auf geheimnisvolle Weise mit der Existenz der Monarchie verbunden war. Rasputin selbst (nach Aussagen seiner Tochter) sagte wiederholt in Zarskoje Selo, ‚wenn ich nicht mehr sein werde, wird auch der Hof nicht mehr sein’. Außerdem empfand der Zar Zuneigung für Rasputin, weil dieser es als Angehöriger des einfachen Volkes geschafft hatte, über alle bürokratischen Hürden hinweg bis zu ihm vorzudringen; und die Zarin empfand eine mystische Liebe für ihn, (...) jene Liebe, die mit der vollständigen Unterwerfung des Willens, dem Gefühl von Ruhe und Glückseligkeit in Anwesenheit des geliebten Menschen, ‚unseres Freundes’, wie die Zarin Rasputin in ihren Briefen und Gesprächen mit Nahestehenden und Ministern nannte, verbunden ist. [...]

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